Sexismus, der auf ein größeres Problem hinweist

Vor einigen Wochen diskutierten wir mit einer Lehrkraft über ein mögliches Kurstreffen, d.h. ein Treffen außerhalb der Schule und Schulzeiten, um den Zusammenhalt des Kurses zu stärken. Was genau wir machen wollten, wussten wir noch nicht. Es fehlten Vorschläge und Einigkeit. Nur, dass Essen eine Rolle spielen würde, da waren sich alle einig.

 

Dabei fand folgender Dialog statt:*

 

Schülerin1: Wir könnten ja alle was kochen.

 

Lehrkraft: Und was sollen dann die Jungen machen?

 

Schülerin2: Die können ja auch was kochen.

 

Lehrkraft: Ich will mich doch nicht vergiften.

 

Erst einige Zeit später ist mir aufgefallen, wie sexistisch dieser Satz im Grunde ist. Als ich ihn als Gedankenstrang weiter geführt habe.

 

Ich will mich doch nicht vergiften… Warum vergiften? Weil Jungen nicht kochen können. Mädchen können kochen – da gibt es auch keine Bedenken, jemanden aus Versehen zu vergiften.

 

Ich mag diese Lehrkraft eigentlich. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er:sie diese Bemerkung nicht in dem Sinn gemacht hat, eine sexistische Bemerkung zu machen. Er:sie ist der:die Art von Lehrer:in, der:dem es wirklich um seine Schüler:innen geht. Der Stoff wird gut vermittelt, Scherze werden gemacht und es herrscht allgemein gute Stimmung. Ich will jetzt auch niemandem den Satz „Mädchen gehören in die Küche“ unterschieben. Es war ein unbedeutender, hingeworfener Kommentar, der dennoch sexistisch war.

 

Und leider leider spiegelt sich in diesem Kommentar ein Teil unserer Welt. Nicht jeder bekommt zuhause das Kochen beigebracht. Und die Wahrscheinlichkeit, zuhause zu kochen, ist höher, wenn man weiblich ist. Ich habe männliche Verwandte, gute zehn Jahre älter als ich, die ein stolzes Bild von ihrem selbstgebackenen Brot schicken: „Mein erstes Brot.“ Ich backe Brot seit ich zwölf bin. Seit ich dreizehn bin, übernehme ich hin und wieder das Kochen. (Eine Weile lang habe ich jeden Donnerstag gekocht und dazu Herr der Ringe geschaut. Mittlerweile kann ich die Filme fast auswendig.)

 

Mir wurde zuhause nicht das Kochen beigebracht. Ich habe es mir auch nicht selbst beigebracht. Ich bin damals auf eine andere Schule in einem anderen Land gegangen, in der Kochen ein selbstverständlicher Teil des Stundenplans war. Zusammen mit Nähern, Schreinern und Graphics. Drei Jahre lang ein Viertel Schuljahr stand ich jede Woche zweimal in der Schulküche. Eine Stunde Rezepte und Ernährung durchsprechen, in der anderen kochen. Das hat funktioniert. Man kann mich und meine Mitschüler:innen dieser Zeit getrost in einer Küche zurücklassen. Wir haben gelernt zu kochen und danach aufzuräumen.

 

Als ich das einigen Freund:innen gegenüber erwähnte hieß es, gelegentlich abwertend, „Ja, das machen die in der Realschule auch.“ Ob das stimmt, weiß ich nicht. Dass es aber nicht nur Realschüler:innen brauchen, weiß ich.

 

Wir werden irgendwann, mit oder ohne Abi, aus der Schule entlassen. Ins Leben geworfen. Wir machen eine Ausbildung zum Beruf oder gehen studieren. Müssen wir da etwa nicht kochen können?

 

Ich habe einen Vorschlag: Führt ein neues Fach ein. Lebenskunde. Oder wie auch immer man es nennen will. Bringt uns bei, wie wir unser eigenes Brot backen und unser Essen kochen. Und wo ihr gerade dabei seid, zeigt uns, wie man eine Steuererklärung schreibt, wie man seine Finanzen regelt, Spül- und Waschmaschine bedient. Vielleicht sollte uns dieses Wissen aus dem Elternhaus übermittelt werden. Wird es aber im Großteil der Fälle nicht.

 

Wenn wir in der Schule gelernt hätten, wie man kocht, wäre der Dialog oben nie entstanden. Weil dann niemand Angst haben müsste, sich zu vergiften und dabei auf klassische Geschlechtsrollen zurückzugreifen.

 

*nicht wortwörtlich wiedergegeben, lediglich von der Bedeutung her erfasst

 

Hannah 19.11.2021