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Der Schlag des Vaters

Warnung: Diese Kurzgeschichte handelt von einem sehr ernsten Thema, sollte also nicht leicht genommen werden. Auch empfehle ich, sie nicht zu lesen, falls man mit Gewalt nicht umgehen kann!

 

Das Wasser in der staubigen Flasche spritzte hoch und machte ihre kleinen Hände nass. Langsam schaute sie auf. Ihre ängstlich geweiteten Augen blinzelten in den düsteren Raum. Die Augen des Mannes, der ihr Vater sein sollte, starrten kalt und gefühlslos zurück. Ja, es war ihr Vater, der vor ihr stand. Der Vater, den sie nicht als ihren Vater ansah. Der Vater, der in jenem Moment einen Gürtel in der Hand hielt.

"Was habe ich dir immer gesagt, Kind?"

Der Vater sah sie wutentbrannt an. Seine Hände zitterten und krallten sich krampfhaft um den Gürtel. Sein Gesicht lief hochrot an. Die Adern auf seiner Stirn pochten.

Stotternd antwortete sie, so wie sie es gelernt hatte: "Ich... s...s...oll nichts ver...r...rschwenden."

"Und?!"

"Ich hätte Mama nicht...nicht..."

Sie brach in Tränen aus, die auf den Boden tropften.

"Genau!"

Der Vater nahm eine Flasche vom Tisch und führte sie sich an den Mund. Als er trank lief die rote Flüssigkeit seine Mundwinkel herunter. Sie hatte mal an den Flaschen mit der roten Flüssigkeit gerochen, als ihr Vater vorm Fernseher gelegen hatte. Dem Fernseher, in dem immer die Sendung mit der Biene gekommen war. Dem Fernseher, den sie jetzt nicht mehr hatten.

Die Flüssigkeit hatte genau so gerochen wie das Krankenhaus, in dem sie damals ihre Mutter besucht hatten.

 

Damals, bevor der Vater sie eines abends angeschrien hatte, dass sie ihr Koffer packen sollte. Kurz vorher war ein Mann bei ihnen gewesen. Der Mann hatte früher mit ihr gespielt. Aber nachdem ihre Mutter ge... hatte sie ihn nur noch bei ihren Nachbarn gesehen.

Nach diesem Abend fuhren sie lange mit dem Auto. Bis sie schließlich zu diesem kleinen aus Brettern gebauten Haus im Wald gelangt waren. Seit diesem Zeitpunkt war sie nicht mehr in die Schule gegangen, in der sie doch gerade Schreiben gelernt hatte.

 

Der Vater hatte zu Ende getrunken und wischte sich ruckartig mit seiner linken Hand über den Mund.

"So und jetzt sollst du dafür bestraft werden!"

Ein wahnsinniger Ausdruck trat in sein Gesicht.

"Aber…"

Der Vater holte mit dem Gürtel aus...

 

---------------------------------------------------------- 7 Jahre später --------------------------------------------------------------

 

Sie saß auf der Fensterbank in ihrem Zimmer. Sie wollte in Tränen aussbrechen, genauso wie sie es damals gemacht hatte, als der Vater getroffen hatte oder schon davor, je nach dem ob er einen schlechten oder guten Grund hatte, um sie zu bestrafen, aber sie wollte nicht darüber weinen. Sie wollte nicht, dass jemand für die Taten des Vaters weinte. Das hatten schon genug getan. Nicht zuletzt ihre Mutter.

Ein Rabe flog an dem Fenster vorbei und setzte sich auf den kahlen Baum im Hof des Heims in dem sie sich befand. Ihre Finger tippten hektisch auf ihr Knie. Ihr half diese Bewegung zum Vergessen.

Draußen fielen erste Regentropfen des angekündigten Sturmes, der sie an die Nacht erinnerte, in der sie dem Horror des Vaters entkommen war.

Sie spürte noch die Kälte, die sie erfüllt hatte und die nassen Blätter, den Schmerz der harten Steine und knorrigen Wurzeln, den sie bei jedem Sturz erlitten hatte.

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, sodass sich ihre Fingernägel in ihre Hände bohrten. Eisig schob sie die Gefühle die hochkommen wollten zurück in die Mauern, die sie mit der Zeit gebaut hatte.

Der erste Donner grollte.

Sie schaffte es nicht mehr die Tränen zurückzuhalten. Als die erste Träne fiel, sprang sie auf, ergriff ihre Kopfhörer, legte sich in ihr Bett, zog sich die Decke über den Kopf und schaltete ihre Musik an.

Nur dieses letzte Mittel half in solchen Momenten.

 

---------------------------------------------------------- 20  Jahre später ----------------------------------------------------------

 

Das Licht einer Reklametafel schien durch das Fenster ihres Büros im 2. Stock. Sie saß vor ihrem PC und arbeitete. Auf dem Bildschirm war ihr Schreibprogramm geöffnet. Doch das Dokument war leer und sie arbeitete auch nicht, sondern schaute aus dem Fenstern. An ihrer Wange lief eine Träne hinunter.

Das Zimmer des Bürohochauses war kalt und nur mit dem Nötigsten ausgestattet: Einer Lampe, einem Aktenschrank und dem Schreibtisch samt Stuhl, auf dem sie saß.

Ihre Finger strichen über die Narben von damals. Die Narben, mit denen beinahe ihr ganzer Körper überseht war. Die Narben des Vaters.

Auf der Straße am Fuße des Hochhauses fuhren die Autos hin und her. Den Bürgersteig belebten Menschen. Es war das Bild einer Großstadt voller Leben.

Einem Leben, in das sie nie einsteigen würde. Nur wegen des Vaters.

Sie begann zu zittern und ihre Finger fingen an heftig auf die Tischplatte zu trommeln. Die Musik die ihr im Heim geholfen hatte, half schon lange nicht mehr. Sie weckte nur noch Erinnerung. Fast alles weckte diese Erinnerungen.

Schnell kramte sie ihr Handy hervor und tippte die Nummer ihres Psychologen ein...


Angefangen hat diese Kurzgeschichte damit, dass ich auf dem Tag der offenen Tür Letta gefragt habe, ob sie mir einen Anfangssatz schreiben könnte, damit ich Ideen bekommen konnte, und das ist daraus geworden. Eine Geschichte über Häusliche Gewalt. Ein sehr ernstes Thema, das mich auch beim Schreiben dieser Geschichte unglaublich mitgenommen hat. Denn 2021 haben 59.900 Kinder und Jugendliche laut Jugendamt Häusliche Gewalt erfahren müssen. Und das sind nur die Fälle, die vom Jugendamt gefunden und hoffentlich auch behoben wurden. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich wesentlich höher. Mit dieser Kurzgeschichte will ich ausdrücken, wie einen das beschäftigt wenn man es erlebt hat und wie es immer ein prägender Teil eines Leben bleibt. Das sieht man allein an heutigen Promis wie Harald Glööckner, dessen Vater seine eigene Frau umgebracht hat und weshalb sich Harald Glööckner in die Schönheitschirugie gestürzt hat. Nämlich aus der Angst, seinem Vater ähnlich zu sehen. Glücklicherweise habe ich soetwas nicht erlebt und wünsche es auch keinem anderen.

Falls ihr davon betroffen seit könnt ihr z.B. unter der Nummer gegen Kummer anrufen: 116111.

Mich würde sehr interessieren, was ihr von dem Thema haltet. Schreibt dies doch bitte in die Kommentare. Dankeschön! Falls ihr noch mehr über dieses schwierige Thema erfahren wollt würde ich euch empfehlen auf https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/gewalt-gegen-kinder-beenden/was-ist-gewalt-fragen-und-antworten vorbei zu schauen.

 

Lasse

 

Quellen: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kinderschutz

               https://www.rnd.de

               https://www.nummergegenkummer.de/kinder-und-jugendberatung/

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