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Brennender Regen

Ein geborstener Turm, vor Urzeiten vom Blitz gespalten. Das flache Dach war umgeben von einer eingefallene Brüstung, die längst keine Sicherheit vor dem Fall mehr bot. Das schwarze Gebilde, das sich vor dem Nachthimmel abzeichnete, war nun nicht mehr als eine Erinnerung an altes Leid.

 

Serra hatte sich die Stufen des Turmes hinauf gekämpft, in der Hoffnung, Hilfe zu finden. Stattdessen wartete auf dem gespaltenen Dach des Turmes lediglich eine kalte, alles einvernehmende Leere. 

Regen prasselte unablässig vom Himmel und trommelte auf sie ein. Donner grollte aus den pechschwarzen Wolken und grelle Blitze zuckten vor dem schwarzen Schleier der Nacht. Noch hatten sie Serra nicht getroffen, doch es war nur eine Frage der Zeit bis sie es tun würden. Noch vor wenigen Tagen hätte Serra diese Tatsache mit Schrecken erfüllt, doch nun fühlte sie bei dieser Erkenntnis rein gar nichts. 

Anstatt Hoffnung zu finden hatte sie hier ihr Ende gefunden. 


Komm heute Nacht zu unserem Turm, hatte Paol gesagt. 
Und Serra war gekommen. Nur um den Turm, den Paol und sie gemeinsam erbaut hatten, verlassen und in Trümmern vorzufinden. 
Eine eisige Hand mit Klauen scharf wie Speere schien Serras Herz zu umklammern, ein Schluchzen schüttelte ihren Körper. Serra konnte die Energie in ihrem Inneren nicht mehr zurückhalten, sie wollte es auch gar nicht. 
Tränen schossen aus ihren Augen, und mit ihren Tränen kam das Feuer. 


Der Regen um Serra herum ging in Flammen auf. Feuerbälle schossen um sie herum nieder und rissen Krater in den Turm, in den Boden, in die Liebe, die Serra einst für Paol empfunden hatte. 
Serras Kehle entwich ein Schrei, ein Schrei, der dem Donner glich. 
Die Feuerbälle wurden größer, streiften Serra, bis ihr kohlschwarzes Haar in Flammen aufging. 
Die Geschichte zweier Liebender, die zusammen ein Königreich erschaffen hatten, bis der eine die andere für seine eigene Macht aufgegeben hatte. 
Und nun brannten Serras Tränen ebenjenes Königreich nieder. Die Flammen fraßen sich durch ihr Haar, bis sie auf ihren Kopfhaut drangen und Serra unter Schreien und feurigen Tränen begruben. 

In diesem Moment fuhr der Blitz erneut in den Turm. Ein Donner, das Knistern der Flammen, der Aufprall von Geschossen aus Feuer, die Schreie des Reiches, das niederbrannte. 

Serra inmitten des Chaos, Herrscherin des Turmes, in Flammen stehend, die ihre Seele fraßen. Das Feuer holte sich zurück, was ihm einst unter einem Himmel aus Sternen versprochen worden war. 

 

Julia

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Hannah (Freitag, 03 März 2023 14:36)

    „Herrscherin des Turmes, in Flammen stehend, die ihre Seele fraßen.“
    Wunderschöner Satz