Lesezeit: 3 Minuten;
Beim Reisen, zum Beispiel mit der Klasse, auf Wandertagen oder am Wochenende in großen Städten, sind die Züge oft bis zum Rand voll. Aber sind sie das wirklich?
Als ich mal mit der polnischen Austauschschülerin einer Freundin in einem Zug saß, erzählte sie uns von ihren Beobachtungen in Deutschland. Zum Beispiel, dass Taschen Vorrang gegenüber Menschen zu haben scheinen, wenn man sich in den Zügen verteilt.
Danach fällt es mir immer öfter auf: Wir sitzen so selten wie möglich bei Fremden. Eine Gruppe setzt sich hin und die Nächte lässt einen Platz frei dazwischen. Wer danach in den Zug kommt, bleibt lieber stehen. Wenn in jedem Vier-Sitzer bereit eine Person sitzt, dann ist jeder Vier-Sitzer voll, auch wenn man nur zu dritt unterwegs ist.
Oft endet das so, dass ein Dutzend Leute stehend in der Straßenbahn die Ellbogen aneinander stoßen und verzweifelt noch versuchen, sich an einer Stange festzuhalten, obwohl noch drei Plätze frei sind. Was mir an diesen Plätzen auffällt, ist, dass sie alle am Fenster sind. Davor sitzt jemand, den man höflich bitten müsste, etwas Platz zu machen.
Wenn wir nur den physischen Kontakt mit Fremden meiden würden, dann wäre es in dieser Situation immer noch besser, den Sitz zu nehmen. Vermeiden wir auch das Gespräch? Vermeiden wir die aktive Entscheidung, die das Sitzen bei einem Fremden im Gegensatz zum Stehen bei einem Fremden darstellt? Sind wir einfach eine unsoziale Gesellschaft als Ganzes? Oder ist es Misstrauen gegenüber dem Nächsten, das uns voneinander fern hält?
Viele mögliche Sorgen sind legitim. Wenn nur ein Platz frei ist und ich mit Freunden unterwegs bin, dann bleibe ich meistens stehen. Und natürlich hat man lieber seine Privatsphäre oder setzt sich vielleicht lieber zu Menschen, die einem sympathisch wirken. All das ist verständlich.
Und doch, wenn ich höre, dass es nicht überall so ist, überlege ich, ob wir nicht übertreiben. (Möglicherweise, weil mir schnell die Beine wehtun.)
Die genau Psychologie hinter dem Ganzen ist mir unbekannt.
Ich frage mich nur manchmal, ob es nicht effizienter wäre, höflich um einen leeren Sitz oder den Sitz einer Handtasche zu beten. Wenn es üblicher wäre, sich im Zug einfach neben einen Fremden zu setzen, anstatt zu warten, bis ein nachbarloser Sitz frei wird.
Dorian
Diese Artikel könnten euch auch gefallen:
Kommentar schreiben