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Das Leben einer Variablen

Hallo. Mein Name ist x. Die meisten kennen mich und die meisten hassen mich. Ja tut mir Leid, aber ich habe mir ja nicht ausgesucht, ein Casting der Mathematikbücher zu bekommen. Damals war ich total aufgeregt als ich gefragt wurde, mit den anderen Zahlen und Zeichen der Mathematik, bei Rechnungen und Gleichungen teilzuhaben.

 

Also begann meine Karriere als Variable. Das stand ich jedoch nicht alleine durch. Meine Kollegin, Madame y und ich wurden die Meister der Therme. Ich wurde in Klammern verpackt oder multipliziert bzw. dividiert. Erstmals musste ich lernen, mich richtig einzureihen, also hinter die offene Klammer oder auch nach den Vorzeichen. Aber meine Rolle ist echt lustig; Niemand weiß, wer ich wirklich bin, das muss man bei jeder Gleichung erst mal herausfinden, wie die meisten von euch wahrscheinlich schon wissen.

 

Es geht also immer darum, wer bin ich und wer ist meine Freundin?

 

Aber ich habe natürlich nicht nur den Job als Variable, im Gegenteil. Ich stehe im Alphabet bei den anderen Buchstaben und ich habe einen Nebenjob bei Koordinatensystemen. Ja ich weiß, das alles bedeutet wenig Freizeit, aber bei Textaufgaben kann ich mich eigentlich immer zurücklehnen.

 

Auf jeden Fall gefällt mir der Job als Variable echt gut.

 

Einer meiner Lieblingsmomente ist es, wenn ich auf der Tafel notiert werde und einen Überblick über den ganzen Klassenraum erlangen kann. Im Gegensatz zu Hefteinträgen. Da werde ich meistens respektlos aufs Blatt geschmiert und fies angeglotzt. Aber so sind natürlich nicht alle. Manche geben sich echt Mühe, mich aufs Detail genau und ordentlich in ein Kästchen eingeordnet aufzumalen. Das ist echt nett, ich wünschte, das würde jeder so machen, ich meine ihr wollt doch auch, dass man sozial zu euch ist oder?

 

So viel zu dem Thema.

 

Y und ich haben es auch schon oft erlebt, dass wir ersetzt wurden durch andere Buchstaben, voll gemein! An Tagen wo wir zum Beispiel krank waren, und wir im Bett bleiben mussten, dachten sich die Mathematiker so: ,,Okay wir brauchen Ersatz-variablen…“ So wurden dann zum Beispiel auch o und p oder a und b gefragt. Ich kann verstehen, dass das Rechenunternehmen weitergehen muss, aber uns dann so eiskalt zu ersetzen ist schon fies.

 

Und nun zu den Meinungen über mich und y. Ja ich gebe zu, die Zeiten mit uns sind manchmal echt hart, aber jeder hat seine schlechten Tage oder nicht? Ihr habt ja Recht, die Rechnungen werden immer schwerer. Aber das ist doch nicht unsere Schuld, y und ich machen doch nur unseren Job, die Mathematiker:innen sind hier die Regisseur:innen, nicht wir. Ich meine ja, wir könnten auch einfach kündigen, aber dann hättet ihr andere Buchstaben an der Backe und um ehrlich zu sein, die anderen sind echt vergesslich und nervig, glaubt mir, man kann froh sein, im Alphabet hinten zu stehen. Und außerdem sind wir eine der Gründe, die euer Gehirn und eure Rechenkunst enorm erweitern.

 

Ihr fragt euch jetzt wahrscheinlich, ob das Leben von mir nicht voll langweilig und öde ist, aber nein, ist es nicht. Also es stimmt schon, wir haben rund um die Ohren was zu tun, aber es ist ehrlich gesagt sogar ziemlich abwechslungsreich. Zum Beispiel wenn unsere Chefs sich was Neues ausdenken. Wie einmal, da kam einer von unseren Regisseur:innen zu uns und meinte so: ,,Hey, was haltet ihr von der Idee, wenn man euch aus zwei Gleichungen gleichzeitig herausfinden muss?“ Oder wenn ihr wartet, zur Lösungsmenge zu gehen und dann das Vorzeichen + anfängt euch Witze zu erzählen.

 

Ach übrigens, wenn ihr auch irgendwann mal gefragt werdet, ob ihr einen Job als Variable machen möchtet, ich kann es nur empfehlen. Man lernt viel dazu und verdient echt gut.

 

Oh sorry, ich muss los, ich wurde gerade zu einem Kaffeetreff mit -, +, =, (, ) und y eingeladen, also dann, wir sehen uns, spätestens im Mathematikbuch wieder ;)

 

 

LG x

 

Letta

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Pyramide (Freitag, 30 September 2022 14:04)

    Kreative Idee! Voll lustig geschrieben!

  • #2

    Irrgarten (Freitag, 30 September 2022 15:16)

    Ich muss sagen, der Artikel ist sehr viel besser geworden, als ich erst gedacht habe! Auf den Job als Variable verzichte ich dann aber doch...