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Perfektionismus

Perfektion ist ein unerreichbares Ideal, das niemand von uns je erreichen kann. Es gibt tausende Sprüche, die uns versuchen, das beizubringen, zum Beispiel "Du bist perfekt so, wie du bist" oder "Versuche glücklich zu sein, nicht perfekt". Trotzdem leben wir in einer Gesellschaft, die immer von uns erwartet, perfekt zu sein. 

In der Schule kommt es manchen Lehrkräften ebenso nur auf die Leistung an. Um eine gute mündliche Note zu bekommen, muss man sich meistens immer melden, richtige Beiträge beisteuern. Egal, ob du mal einen schlechten Tag hast; egal, ob du heute Schwierigkeiten damit hast, dich zu konzentrieren. Immer anwesend sein, immer gute Beiträge geben, immer richtige Dinge sagen. Aber nein, niemand erwartet von euch, perfekt zu sein. Aber wenn ihr oft falsche Beiträge gebt, wird das trotzdem eine schlechtere Note. 

Ihr bekommt eine eins, wenn ihr zehn von zehn Mal auf einen Basketballkorb trefft. Egal, ob der Ball zwei Mal fast drin war und eure Technik richtig. Egal, ob ihr gerade mit privaten Problemen zu kämpfen habt, die euch ablenken. Egal, ob ihr einfach ein paar Mal nicht trefft. 

Wisst ihr, wer auch manchmal nicht trifft? Profi-Basketballer:innen, die ihr ganzes Leben nichts anderes machen. 

Aber ihr müsst ja nicht so sein wie sie. Es ist völlig in Ordnung, wenn ihr nur neun Mal trefft, das ist immer noch die eins. Aber bei sieben Mal dann schon wieder nicht. 

Vielleicht ist das etwas übertrieben, aber manchmal fühlt es sich so an. Nach außen hin sagen dir alle, dass du so bleiben sollst, wie du bist, aber in Wahrheit wollen sie doch, dass du dich änderst. Dass du zu der Person wirst, die sie gerne sein würden, weil sie es selbst nicht schaffen, perfekt zu sein. 

Weil sie menschlich sind. 

Wenn du deine Hausaufgaben einmal vergisst, ist das bei manchen Lehrkräften ein halber Weltuntergang. Bei drei Strichen bekommst du dann eine sechs eingetragen. Wie oft hat diese Lehrkraft schon etwas vergessen? Etwas zu vergessen ist menschlich. 

Du sagst dir, du willst gar nicht perfekt sein. Gleichzeitig beneidest du Andere um ihre Eigenschaften und wünschst, du wärst das und das und das und das. 

Wir alle streben nach Perfektion. Wahrscheinlich macht uns auch das zu Menschen. 

Kennt ihr die Kurzgeschichte »Tod eines Helden«, die ich einmal für die Schülerzeitung geschrieben habe? Der Hauptcharakter ist in seinem Inneren gestorben. Gestorben an den Wunden, menschlich zu sein. Gestorben, menschlich zu sein, während andere einen Gott in ihm sahen. 

Natürlich sehen unsere Lehrer:innen keine Gottheiten in uns, das wäre ziemlich absurd und besorgniserregend. Und umgekehrt ist glaube ich auch eher das Gegenteil der Fall. Aber irgendwie müssen wir doch besser sein, als wir sind. Und das ist im Prinzip nichts Schlechtes: Besser werden. Nur weil man nie perfekt werden kann, heißt das nicht, dass man nicht versuchen kann, zu einem besseren Menschen zu werden. Dass alle sagen »Bleib, wie du bist« heißt nicht, dass sie sich nicht freuen, wenn du ein bisschen mehr zu der Person wirst, die du sein willst. Du musst nur akzeptieren, dass du nie zu einer perfekten Person werden wirst, und das ist auch gut so. 

Ich glaube, das versteht jede:r auch irgendwann. Aber was viele nicht verstehen, ist, dass auch alle anderen Menschen nicht perfekt sind. Dass jeder seine Macken hat. Dass zu lieben bedeutet, das an einer Person anzuerkennen. 

Und solange man nicht erkennt, dass niemand perfekt sein kann, wird man sowohl in sich selbst als auch in allen anderen Menschen immer nur Fehler finden.

 

Julia

 


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