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Zwei Lehrkräfte pro Klasse?

Lesezeit: 9 Minuten;

 

Jaja, ich weiß, Lehrermangel und so. 

Aber trotzdem kam mir bei unserer Stark-ins-Leben-Fahrt eine Idee. Bei dem Großteil war die Stufe nämlich in drei Gruppen aufgeteilt, die jeweils von zwei Lehrkräften (oder einer, wenn die andere aus unerfindlichen Gründen gerade abwesend war) betreut wurde. Bei ca. 80 Schüler:innen macht das 26 und ein paar zerquetschte Schüler:innen pro Gruppe - weniger als meine Klasse in der Unter- und Mittelstufe. 

Und ja, die Fahrt war eher als Seminar gedacht und sollte bewusst nicht im bekannten schulischen Umfeld stattfinden und ist somit auch nicht so richtig auf die Schule übertragbar. Aber diese zwei Tage haben irgendwie gut symbolisiert, wie mehrere Lehrkräfte einer Gruppe von Schüler:innen etwas beibringen anstatt nur eine Lehrkraft. 

Meistens sah das so aus, dass eine:r die Aufgabe erklärt hat / die Diskussion geleitet hat und der:die andere ergänzt hat, eigene Anregungen gegeben hat und die eigene Meinung hinzugefügt hat. Auch bei vielen AGs sieht man, wie mehrere Lehrkräfte zusammenarbeiten. 

Meiner Meinung nach ein relativ gutes Konzept. Manchen scheinen zwei Lehrkräfte im Raum unnötig, wo wir doch auch mit einer klarkommen. Anderen ist vielleicht sogar schon die eine Lehrkraft zu viel. Aber ich sehe irgendwie sehr viel Potenzial in einer solchen Unterrichtsmethode. 

Hier einmal eine kleine Liste mit Vorteilen, die mir in den Kopf gekommen sind: 

 

  • Schüler:innen, die nicht mit der Erklärweise oder der Art von Lehrkraft A zurechtkommen, können Lehrkraft B um Rat fragen 
  • Wenn es Probleme zwischen Schüler:in und Lehrer:in gibt, kann man mit einer zweiten Person reden, die anwesend war, und diese als Vermittler heranholen, anstatt eine externe Person, die das Problem nicht mitbekommen hat (insbesondere wenn Schüler:innen sich von Lehrkräften ungerecht behandelt fühlen, sich aber nicht trauen, es ihnen direkt zu sagen, wenn keine andere Autoritätsperson im Raum ist) 
  • Wenn eine Gruppe Schüler:innen zum Beispiel in Mathe ein Thema nicht so schnell versteht wie die andere, kann dieses vorne nochmal für alle wiederholt werden, während eine andere Lehrkraft rumgeht und den schnelleren bei den schwereren Aufgaben hilft 
  • Krankheitsfälle bei den Lehrer:innen führen nicht mehr so schnell zum Ausfall des Unterrichts/  einer Vertretungsstunde (obwohl das für uns Schüler:innen eigentlich eher ein Nachteil ist) 
  • Wenn Lehrkraft A nicht mit der Technik zurechtkommt, kümmert sich Lehrkraft B darum 
  • Weniger Arbeit für die Lehrkräfte (auch wenn man sich immer irgendwie absprechen müsste - vielleicht wäre das Konzept eines:r "Hauptlehrer:in" und Hilfslehrer:in" sinnvoller) 
  • Bei Notengebung (insbesondere bei Epochalnoten und Präsentationen) kann viel objektiver bewertet werden, da mehrere Meinungen berücksichtigt werden 
  • Bei Diskussionen/ Interpretationen gibt es nicht immer nur eine "vorgegebene" Meinung
  • Lehrkräfte können auch nach dem Referendariat noch voneinander lernen (insbesondere jüngere von älteren und umgekehrt - gerade was Digitalisierung und Erfahrung angeht) 
  • Für bestimmte Gruppenarbeiten / Diskussionen kann die Klasse geteilt werden (wenn zum Beispiel eine Gruppe rausgeht) 
  • Auch wenn bestimmte Schüler:innen ein Thema nicht ganz verstanden haben, kann man die Klasse teilen und mit den einen noch mal in Ruhe wiederholen, ohne dass die anderen sich langweilen 
  • Der:die individuelle Schüler:in bekommt mehr Aufmerksamkeit und man kann sich besser auf deren Stärken und Schwächen konzentrieren und darauf eingehen 
  • Wenn die Lehrkräfte sich gut verstehen, kann das zu einem unterhaltsameren Unterrichtsklima führen 

Aber natürlich hätten zwei Lehrkräfte im Raum auch Nachteile. Mal ganz abgesehen davon, dass wir einfach vorne und hinten nicht genug Personal für ein solches Experiment zur Verfügung haben, sind mir auch einige Unklarheiten aufgefallen, zu denen ich noch keine richtige Lösung weiß:

 

  • Was macht Lehrkraft B, wenn Lehrkraft A grade am Erklären ist? Es gäbe generell oft Situationen, in denen einer von beiden Lehrkräften nicht viel zu tun hätte, zumindest wenn nicht das gesamte Schulsystem dafür angepasst wird. 
  • Haben die Lehrkräfte dann so wenig zu tun, dass sie mehr Klassen an einem Tag unterrichten können? Eigentlich nicht unbedingt, die Arbeitszeiten werden ja trotzdem länger. Könnte man vielleicht in zwei Klassen unterschiedliche "Hauptlehrkräfte" aber die gleiche "Hilfslehrkraft" einstellen, die innerhalb einer Stunde zwischen zwei Klassen hin- und herswitcht (wenn sich eine Klasse gerade in einer Arbeitsphase befindet hat immerhin nicht mal die Hauptlehrkraft etwas zu tun)
  • Ab welcher Kursgröße wird eine Hilfslehrkraft unnötig? Sollten diese generell nur für Unter- bzw. Mittelstufe eingestellt werden? 
  • Wie werden die Lehrkräfte zusammen eingeteilt und was passiert, wenn zwei Lehrkräfte, die völlig verschiedene Unterrichtsmethoden haben oder persönlich nicht miteinander auskommen eine Klasse unterrichten müssen? Würde das dann wirklich zu einem positiveren Unterrichtsklima führen? 
  • In welchen Fächern wird eine Hilfslehrkraft gebraucht? In Kunst finde ich es persönlich etwas unnötig, da oft (vor allem in Mittel- und Unterstufe) ohnehin nur ein Arbeitsauftrag erklärt wird, und dann geht die Lehrkraft rum und gibt Tipps. 
  • Wenn man schon den Notenaspekt anspricht, müssen dann zum Beispiel in Deutsch oder Englisch auch geschriebene Texte in Arbeiten von zwei Lehrkräften betrachtet werden, da man diese oft auch unterschiedlich bewerten kann? 
  • Was, wenn man als Schüler:in mit beiden Lehrkräften nicht klarkommt? Dann ist auch der ganze Zwei-Menschen-im-Raum Aspekt hinfällig und man hat eher mehr Probleme als weniger.
  • Es ist eine gute Absprache beider Lehrkräfte vonnöten, damit alles funktioniert. Ich hatte schon Probleme damit, dass ich gleiche Themen in verschiedenen Klassenstufen von verschiedenen Lehrkräften unterschiedlich beigebracht bekommen habe. Wie sieht das dann aus, wenn man vor einer Arbeit zwei unterschiedliche Erklärungen bekommt? 

Allgemein ist das alles also keine so grandiose Idee, wie ich anfangs dachte. Trotzdem finde ich, dass die Sache mal ein Experiment wert wäre. Wobei - so neu ist die Idee gar nicht. Zumindest in England gibt es meines Wissens nach "Teacher Assistants", die Schüler:innen, die in Themen nicht so schnell oder gut wie andere sind, nochmal alles erklären können. Auch in der Grundschule hatten wir manchmal Praktikantinnen, die dann mit uns im Klassenraum waren. Selbst jetzt kommen Referendare anfangs auch noch oft mit der "eigentlichen" Lehrkraft in einem Fach in den Unterricht und beobachten diesen, bevor sie selbst Unterricht machen und helfen zwischendurch bei Aufgaben, also auch in etwa so, wie ich mir das vorgestellt hatte. In anderen Schulsystemen oder in anderen Ländern glaube ich auch, dass solche Formen des Unterrichtens schon existieren. Und in Deutschland ist es - wie schon tausendmal erwähnt - dank des Lehrermangels ohnehin schwierig bis unmöglich, ein solches Konzept umzusetzen. Trotzdem fand ich das Thema interessant - offenbar interessant genug, um einen ganzen Artikel darüber zu schreiben. Auch interessiert es mich, was ihr denn über die Sache denkt und ob ich bestimmte Aspekte vielleicht ganz übersehen habe (gut möglich - Schlafmangel lässt grüßen). 

Schreibt gerne mal alles in die Kommentare, was euch dazu einfällt! 

 

Julia

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Hannah (Samstag, 14 September 2024 18:42)

    Während Corona gab es eine Zeit, wo zu große Oberstufen-Kurse in zwei Räume geteilt wurden. Da hätten zwei Lehrkräfte auch nicht geschadet.