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Es ist dunkel im Zimmer. Sie liegt da, versucht zu schlafen, ihr Kopf voller Gedanken. Viel war passiert in den letzten Stunden. Es wurde viel geschrien und geschimpft, noch mehr war zu Bruch gegangen. Menschen hatten sie verlassen, die Anzahl ihrer Freunde schrumpfte in sich zusammen, die ihrer Feinde stieg immer höher. Es war viel passiert. Vielleicht zu viel. Früher stand ihr Leben in Flammen. Flammen, die längst erloschen waren, nichts hinterließen hatten als Rauch und Asche.
Plötzlich wird es unruhig, die Stimmung verändert sich. Auf dem Gang hört sie Schritte, keine bekannten, ein bestimmtes Gefühl macht sich in ihr breit, ein sehr wohlbekanntes, als würden schwere Gewitterwolken über ihr hängen und nur darauf warten, sich zu entladen.
Es kommt wieder, hat sie gefunden. Sie ist seit Jahren auf der Flucht gewesen, ist am Rand des Lebens gependelt und dem Tod mehrmals nur knapp von der Schippe gesprungen. Denn töten konnte es sie nie, irgendetwas hinderte es daran. Bis heute, das spürt sie.
Schatten bewegen sich, Fangarme greifen unter der Tür durch, öffnen sie. Sie schreckt auf, schreit, doch niemand hört sie, niemand kommt ihr zur Hilfe. Schwarzer Nebel umhüllt das Zimmer, Schatten scheinen alle auf sie zuzukommen. Die Tür schwingt auf, ein riesiges Etwas tritt über die Schwelle. Alles steht still.
Ihr Verstand befiehlt ihr zu rennen, abzuhauen, doch ihre Beine bewegen sich nicht, sträuben sich gegen die Sicherheit der Flucht.
Das Monster kommt näher, sie kann die Umrisse erkennen. Dunkle Augen, die gierig nach ihr suchen, matte Schuppen. Sie versucht zu flüchten, will den Klauen entkommen, die nach ihr greifen. Aber das Monster ist zu schnell, zu stark. Wieder schreit sie um Hilfe, so laut, dass ihre Kehle brennt. Keiner hört die Schreie.
Es zerrt sie näher an sich heran, so nah, dass sie den faden Atem riechen kann. Kreischend windet sie sich, versucht sich zu befreien, doch es hält sie gefangen, umfasst sie so fest, dass es schmerzt. Sie weiß, sie muss kämpfen, muss sich wehren, denn sonst gewinnt es. Und dann würde es kein Zurück mehr geben.
In einem kurzen Moment, in dem das Monster unaufmerksam zu sein scheint, greift sie nach einer Schere auf dem Schreibtisch, wie durch ein Wunder bekommt sie diese zu fassen. Wie im Rausch beginnt sie, auf es einzustechen, schneidet über die rauen Schuppen, versucht es zu töten. Das Monster schreit auf, doch sie hört es nicht, sticht immer wieder, denn sie weiß: Wenn sie es nicht tötet, wird es sie umbringen. Die Klinge schneidet durch das Gesicht, über die Klauen und die Kehle. Brüllend vor Schmerz bäumt es sich ein letztes Mal auf, dann bricht es zusammen.
Mit einem Mal kehrt Ruhe ein. Der Nebel lichtet sich und die Greifarme verschwinden. Auch das Monster ist weg. Es scheint, als wäre es nie da gewesen, als wären die Schnitte an ihrem Körper nicht real. Blut tropft von ihrem Arm, das selbe, das auch an der Schere hängt. Wo vorhin noch ein Ungeheuer gesessen hatte, war nur noch sie selbst.
War es vielleicht immer nur sie selbst gewesen?
Frida
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