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Mangelnde Aufklärung?

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Ich habe mich lange gefragt, ob ich diesen Artikel wirklich schreiben soll, weil das Thema irgendwie seltsam ist. Aber genau das hat mich eigentlich nur darin bestärkt, genau das zu tun, denn genau darum soll es hier gehen: Dass Aufklärung immer noch ein Thema ist, das von der Gesellschaft nicht normalisiert ist und deshalb - meiner Meinung nach - nicht ausreichend in der Schule unterrichtet wird. 

Natürlich sollte ich mich nicht beschweren. Wir haben große Schritte gemacht in den letzten Jahren. Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir in der Schule erfahren dürfen, dass wir nicht verbluten, wenn wir zum ersten Mal unsere Tage kriegen oder dass uns Sex von unseren Eltern erklärt werden muss. Das war ohne Zweifel ein großer Schritt. Aber ein Problem, das ich bei Menschen beobachten muss, ist, dass sie, wenn sie etwas besser machen, gleich denken, es ist gut so und muss nicht noch einmal überdacht werden. 

Wie sieht die Lage den momentan so aus? Aufklärungsunterricht beginnt normalerweise in der 4. Klasse, am Ende der Grundschulzeit, meiner Meinung nach ein gutes Alter, um die Grundlagen zu lernen. Danach lernt man in der sechsten Klasse nochmal mehr oder weniger das Gleiche, hauptsächlich bezogen auf die biologischen Hintergründe bezüglich der Entstehung eines Menschen. Manche nehmen es dann auch nochmal in der achten Klasse durch, andere Klassen nicht. Und damit hat sich die Sache. 

Ja, es gibt auch die Sexualworkshops, die eigentlich ziemlich gut sind: Jede Klassenstufe lernt über Themen, die grade für das entsprechende Alter wichtig sind, und man hat externe Menschen, mit denen man reden kann, anstelle von Lehrkräften. Aber die sind zumindest mit Corona für einige Jahre weggefallen und dauern eben auch nur einen Tag an - wer krank ist, hat halt Pech gehabt. 

Aber was ist jetzt überhaupt konkret meine Kritik? 

Nun, meine Kritik ist, dass wir wirklich nur die basics lernen. Ich glaube, ich lehne mich nicht aus dem Fenster, wenn ich sage, dass ein Großteil von dem, was wir über Sex und unseren Körper wissen, heutzutage aus dem Internet und den Medien stammt. Und ja, das ist ein Problem - nicht nur, weil diese "Informationen" voll von unrealistischen Idealen oder sogar komplett falschen Fakten sind, sondern auch, weil dies Themen sind, für die man seriöse Quellen haben sollte und die wichtig genug sind, dass man sich nicht selbst darüber informieren müssen soll. 

Außerdem sind immer noch so viele falsche Ideen, zum Beispiel über Menstruation, im Umlauf, dass mehr Bildung in die Richtung echt nicht schaden kann. Das Zitat „Ich sehe die Ausgabe [von Menstruationsartikeln] an Frauen ähnlich, als würde man Alkoholikern Alkohol und Rauchern Zigaretten ausgeben.“ (AfD-Fraktionsvorsitzender Josef Burkart) zeigt, glaube ich, doch nochmal ganz schön, wie wenig besonders Männer eigentlich über Menstruation wissen. Wer jetzt ankommt mit "Aber Männer müssen sich da doch gar nicht auskennen", kann an der Stelle auch einfach direkt gehen. (Für alle, die es trotzdem nochmal hören müssen: 1. Ich gehe auch nicht rum, und erzähle Scheiß über männliche Anatomie. 2. Haben ein großer Teil aller Männer Frauen in ihrem Leben. 3. Sollte jeder, der in der Politik irgendwelche Entscheidungen treffen darf, auch wenn es sich mir nicht erklärt, wieso nicht menstruierende Menschen irgendetwas über Menstruationsartikel entscheiden dürfen sollten, auch darüber Bescheid wissen. Mehr Gründe gibt es zwar, sie werden hier aber nicht von mir aufgezählt, da das nicht der Punkt sein soll; und den meisten sind sie hoffentlich sowieso klar.)

Ich rede hier auch nicht nur über mehr Aufklärung in Richtung Periode, sondern auch über andere essentielle Dinge wie sexuelle Krankheiten, über die ich in der Schule zum Beispiel noch nie irgendetwas gehört habe. Wobei - ganz ehrlich ist alles, was ich in der Schule je über meine Periode gelernt habe, auch nur, was es ist, die Basics was Menstruationsartikel angeht und wie lange ein Zyklus dauert. Und nein, das ist halt leider nicht alles. 

Vor allem auch, weil die meisten in der vierten Klasse noch nicht ihre Tage haben, viele auch nicht in der sechsten. Danach ist das Thema ja wie gesagt meistens abgeschrieben.

Natürlich hat eigentlich jedes Mädchen auch einen Haushalt, in dem man fragen kann. Aber ich glaube, die Probleme hier liegen auf der Hand: Nicht jeder kann oder will zuhause solche Fragen stellen. Außerdem leben wir in einer immer diverseren Gesellschaft,  in der ein Mädchen auch mal gut zwei Väter haben kann. Und selbst wenn man die Mutter fragt: Jeder Körper ist anders. Zwar haben die Eltern sich vielleicht auch mal selbst ausführlicher über das Thema informiert, aber in der Schule haben die noch weniger darüber gelernt. Allein aus eigenen Erfahrungen kann man nämlich auch nicht alles beantworten, Auswirkungen der Periode können unterschiedlich sein. 

Egal wie, ich finde auch, dass das allgemein nicht die Aufgabe der Eltern sein sollte. Wofür gibt es denn die Schule? 

Ich weiß, dass viele Lehrer:innen auch keinen Bock haben, das Thema mit Schüler:innen durchzunehmen. Aber es ist halt wichtig. Nochmal: Schön, dass wir in den letzten Jahren mehr Unterricht in die Richtung kriegen. Schade, dass sich das Bildungsministerium danach dachte: Perfekt, jetzt müssen wir da nie wieder was dran verändern. Denn so funktioniert die Welt nicht. 

Persönlich finde ich es schade, dass das Thema in der Gesellschaft immer noch so ein großes Tabu ist. Immer weniger, was schön ist. Aber anscheinend ja immer noch genug, dass man sich dafür schämen muss, Kindern etwas über ihre eigenen Körper beizubringen. Genug, dass man lieber im Internet recherchiert - obwohl sogar das manche ja schon Überwindung kostet - anstatt seriösere Quellen aufzusuchen. Genug, dass man sich dafür schämen muss, so einen Artikel zu schreiben. 

 

 

Anonym

 

Anmerkung: Im Nachhinein fällt mir auf, dass ich viel über Menstruation geschrieben habe; vermutlich, weil es das Thema ist, zu dem ich am meisten zu sagen habe. Fühlt euch frei, das für alles andere anzuwenden.


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